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Alles oder nichts: Warum sich der Krieg für die Elite im Südsudan lohnt

Vor einem Jahr ist im Südsudan ein Krieg um Macht und Ressourcen ausgebrochen. Kompromisse scheitern an der Alles-oder-nichts-Logik der Konfliktparteien. Annette Weber hält es für entscheidend, dass dieser Logik nun die finanzielle Grundlage entzogen wird.

Kurz gesagt, 11.12.2014 Forschungsgebiete

Vor einem Jahr ist im Südsudan ein Krieg um Macht und Ressourcen ausgebrochen. Kompromisse scheitern an der Alles-oder-nichts-Logik der Konfliktparteien. Annette Weber hält es für entscheidend, dass dieser Logik nun die finanzielle Grundlage entzogen wird.

Jeder zehnte Bürger des Südsudan ist auf der Flucht, knapp die Hälfte der zehn Millionen Südsudanesinnen und Südsudanesen ist wegen Vertreibung und Krieg auf humanitäre Hilfe angewiesen. Seit dem Ausbruch der Kämpfe am 15. Dezember 2013 ist der Krieg wieder zur grausamen Normalität im Südsudan geworden.

Die beiden Hauptkontrahenten im Kampf um Macht und Ressourcen sind Präsident Salva Kiir und der ehemalige Vizepräsident Riek Machar. Auf Seiten des Präsidenten kämpfen Einheiten der südsudanesischen Armee, unterstützt von ugandischen Truppen und Milizen. Auf Seiten der aufständischen »Sudanesischen Volksbefreiungsbewegung SPLM/A in Opposition« sieht es ähnlich aus; auch hier kämpfen Einheiten der südsudanesischen Armee und Milizen. Der Großteil der militärischen Angriffe richtet sich gegen die Zivilbevölkerung, die der Unterstützung der jeweils anderen Seite verdächtigt wird. Direkte Zusammenstöße zwischen den verfeindeten Lagern gibt es kaum. Nur um die Ölfelder wird direkt gekämpft.

Die Elite ist in einer Alles-oder-nichts-Logik verhaftet

Weil die kleine, aber mächtige Elite in einer Alles-oder-nichts-Logik verhaftet ist, gelingt es den verfeindeten Lagern nicht, sich auf Waffenstillstände, Friedensschlüsse oder eine Machtteilung zu einigen. So treten die Friedensverhandlungen seit Monaten auf der Stelle.

Beobachter verorten den Ursprung des Alles-oder-nichts-Prinzips in der Guerillavergangenheit der politischen Elite. Im taktischen Vorgehen während des Bürgerkriegs mit dem Norden war der Spatz in der Hand wertvoller als die Taube auf dem Dach. Die Sudanesische Volksbefreiungsbewegung SPLM/A war bekannt dafür, dass sie wenig in die politische und soziale Ordnung der von ihr kontrollierten Gebiete investierte, weil sie alle Ressourcen nutzte, um militärische Erfolge zu erzielen. Ein Großteil der ehemaligen Rebellen – ganz gleich, ob sie derzeit auf der Seite der Regierung oder der Opposition kämpfen – ist den Schritt von der bewaffneten Guerilla zur zivilen Regierung nie gegangen. Dies zeigt sich heute ganz besonders deutlich im Staatsverständnis der Eliten und in deren Umgang mit öffentlichen Mitteln. Beides sorgt dafür, dass das Alles-oder-nichts-Prinzip auch im derzeitigen Konflikt bestimmend bleibt.

Politische Macht ist mit Personen, nicht mit Funktionen verbunden

Im Südsudan ist jede politische Macht mit der Person, nicht der Funktion verbunden. Wie wenig Bedeutung der Staat hat, legt der Krieg, der jetzt in sein zweites Jahr geht, einmal mehr offen. So werden bei den Friedensverhandlungen in Addis Abeba nicht strukturelle Fragen der Machtteilung für eine Übergangslösung verhandelt. Vielmehr geht es um die Verteilung von Posten unter den Anwesenden. Entsprechend personen- bzw. interessengeleitet ist der Umgang mit öffentlichen Gütern.

Bei der Aufstellung des Haushaltes ist die Regierung vor allem darauf bedacht, für ein Verteidigungsbudget zu sorgen, das es erlaubt, die Kontrolle der Ölquellen mit Waffengewalt zu sichern. Diese sind als Haupteinnahmequelle des Landes Garant für die Sicherung der Macht und die Versorgung der eigenen Klientel. Gleichzeitig wird die Bildung massiv vernachlässigt, obwohl die Bevölkerung des Landes schon jetzt zu den ärmsten und am wenigsten ausgebildeten der Welt zählt. Die Verteidigung wird offiziell auf ein bis zwei Drittel des Haushalts veranschlagt. Elf Prozent des Haushaltes werden für Gesundheit, Bildung und Erziehung, vier Prozent für Infrastruktur aufgewendet.

Südsudan ist zudem eines der korruptesten Länder der Welt. In den letzten drei Jahren haben Regierungsmitglieder Milliardenbeträge veruntreut. Neben der Selbstbereicherung investierten sie in ihre Herkunftsgebiete. Leistungen wie der Bau von Schulen und Gesundheitsstationen oder der Aufbau privater Armeen sind insofern weniger als staatliche Leistungen als als klientelistische Versorgungsleistung durch Einzelne zu werten – und werden entsprechend von der Bevölkerung wahrgenommen.

Dem Klientelismus die finanzielle Grundlage entziehen

Um Weihnachten ist die Regenzeit vorbei, die in den letzten Monaten zumindest zu einem Abflauen der Kämpfe geführt hatte. Zeit für die Eliten, sich neue Waffen zu kaufen, die Kämpfer zu motivieren, die nächsten Schlachten zu planen; die Kredite aus China werden genutzt, um chinesische Waffen zu kaufen und die Soldaten zu bezahlen. Die Versorgung der vom Krieg betroffenen Bevölkerung wird indessen der internationalen Staatengemeinschaft überlassen, die dafür 1,8 Milliarden US-Dollar zur Versorgung von nahezu der Hälfte der Gesamtbevölkerung des Südsudans zugesagt hat. Weniger als 35 Millionen US-Dollar will das Land selbst aufwenden.

Angesichts der katastrophalen Lage der Bevölkerung sollten regionale und internationale Akteure zügig alle Möglichkeiten nutzen, Einfluss auf den Konflikt zu nehmen. Vor allem muss dem Alles-oder-nichts-Prinzip die finanzielle Grundlage entzogen werden. Dabei sollte langfristig das Ziel verfolgt werden, den Staat, der im Augenblick nur als Fassade für die Durchsetzung individueller Interessen dient, als Akteur zu etablieren. Dies wird nur gelingen, wenn die Bevölkerung Vertrauen in sich und ihre politische Führung entwickeln kann. Erste Voraussetzung hierfür ist die Beendigung des Krieges. Kurz- und mittelfristig sollte durch individuelle Finanzsanktionen wie das Einfrieren von Konten hochrangiger Entscheidungsträger Druck auf beide Seiten ausgeübt werden. Dies könnte dazu führen, dass weniger in private Armeen und individuelle Geldgeschenke investiert wird. Entsprechende Maßnahmen sollten zweitens von einem UN-überwachten Ölfonds flankiert werden, in den Einnahmen aus Ölexporten fließen, aus denen notwendige staatliche Ausgaben finanziert werden. Und schließlich sollte ein Waffenembargo gegen den Südsudan verhängt werden. Denn der Krieg des letzten Jahres hat deutlich gemacht, dass eine Bewaffnung keineswegs der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger des Landes, sondern ausschließlich der Sicherheit der Eliten dient.